Zur Startseite
Chinesische Rhetorik oder "Lehre vom Zurechtlegen der Worte"
   

5. Yinyong 引用 "Zitieren"

Legt man nicht nur eigene, sondern zudem Worte anderer Personen zurecht, so hat man das Wortzurechtlegemuster "Yinyong" angewandt.

Beispiele

Klassisches Chinesisch
孔子曰: "求! 周任有言 曰: '陳力就列, 不能者 止.' 危而不持, 顛而不扶, 則將焉用彼相矣?"
Kongzi yue: "Qiu! Zhou ren you yan yue: 'Chen li jiu lie, bu neng zhe zhi.' Wei er bu chi, dian er bu fu, ze jiang yan yong bi xiang yi?"
Kongzi sagte: "Qiu! Zhou Ren hat unter anderem gesagt: 'Wenn er [der Edle] seine Kräfte [Fähigkeiten] zeigen kann, nimmt er in den [Amts-] Rängen seinen Platz ein, sollte er unfähig sein, macht er davor halt.' Wenn er einen, der wankt, nicht stützt, einen, der stürzt, nicht aufhilft, wie kann man einen solchen als Hilfe verwenden?"
Quelle: Konfuzius "Gespräche", siehe Xiucixue S. 78
Modernes Chinesisch
形容 "經濟" 兩個字, 最 好 借用宋玉的話: "增之一分則太長,減之一分則太短;傳粉則太白, 施朱則太赤".
Xingrong "jing ji" liang ge zi, zui hao jieyong Song Yu de hua: "Zeng zhi yi fen ze tai chang, jian zhi yi fen, ze tai duan; chuan fen ze tai bai, shi zhu ze tai chi".
Wenn man die beiden Schriftzeichen des Worts "ökonomisch" charakterisieren will, zitiert man am besten Song Yu: "Fügt man ihm einen Teil hinzu, ist es zu lang, nimmt man ihm einen weg, zu kurz; bestäubt man es, ist es zu weiß, fügt man Zinnober hinzu, zu rot".
Quelle: Hu Shi "Über Erzählungen", siehe Xiucixue S. 78

Erinnert an ...

  • "Zitat"
  • "Ausspruch-Chria"
  • "Inquit-Formel"

Ausführliche Erklärung

Der folgende Text ist gleich dem im Buch Xiucixue S. 75ff

A. Das Wortzurechtlegemuster

1. Hinführung

Das Yinyong ist das Zitieren. Die Charakteristika des Zitierens werden in Kontrast zur Montage, welche mit dem Zitat verwandt ist, deutlich. Der folgende Text auf der linken Seite ist Karl Kraus' Die letzten Tage der Menschheit entnommen.1 Die Rede des Wieners ist aus lauter Fertigteilen der Sprache, aus Phrasen und Zeitungszitaten, zusammengesetzt. Rechts das Zitat eines literaturtheoretischen Texts.2


Montage (Karl Kraus) Zitat (literaturtheoretischer Text)


Ein Wiener (hält vor einer Bank Es kann nicht verwundern, dass ein
eine Ansprache): Erneuerungsphilosoph wie
denn wir mussten die Manen des Nietzsche von dieser Dichtung
ermordeten Thronfolgers befolgen, [der Dichtung Hölderlins] besonders
da hats keine Spompanadeln geben angezogen wird. Ebenfalls
darum, Mitbürger, sage ich auch "aristokratischer" Denker und
wie ein Mann wollen wir uns mit Verkünder einer revolutionären
fliehenden Fahnen an das Vaterland Philosophie-Religion aus griech-
anschließen in dera großen Zeit! ischem Geiste, beschreibt er die
Sind wir doch umgerungen von hoffnungslose Lage außergewöhn-
lauter Feinden! Mir führn einen licher Genies wie Hölderlin in der
heilinger Verteilungskrieg führn philiströsen Gesellschaft des 19.
mir! Also bitte – schaun Sie auf Jahrhunderts. Das Zitat eines
unsere Braven, die was dem Feind englischen Kunstkritikers
jetzt ihnere Stirne bieten, aufnehmend, heißt es in den
ungeachtet, schaun S' wie s' da "Unzeitgemäßen Betrachtungen"
draußn stehn vor dem Feind, weil (1874): " 'Solche fremdartigen
sie das Vaterland rufen tut, und Charaktere werden anfänglich
dementsprechend trotzen s' der gebeugt, dann melancholisch, dann
Unbildung jeglicher Witterung krank und zuletzt sterben sie.' [...]
draußen stehn's, da schaun S' Ihrer Unsere Hölderlin und Kleist und
s' an! Und darum sage ich auch – es wer nicht sonst verdarben an dieser
ist die Pflicht eines jedermann, der ihrer Ungewöhnlichkeit und hielten
ein Mitbürger sein will, stantape das Clima der sogenannten
Schulter an Schulter sein Scherflein deutschen Bildung nicht aus; und
beizutrageen. Dementsprechend! nur Naturen von Erz wie Beethoven,
Da heißt es, sich ein Beispiel Goethe, Schopenhauer und Wagner
nehmen, jawoohl! Und darum sage vermögen Stand zu halten."
ich auch – ein jeder von euch soll (Nietzsche, 1980, Bd. I, S. 352)
zusammenstehn wie ein Mann! Dass
sie's nur hören die Feind, es ist ein
heilinger Verteilungskrieg, was mir
führn! Wiar ein Phönix stehma da,
den's nicht durchbrechen wern,
dementsprechend – mir san mir und
Österreich wird auferstehn wie ein
Phallanx ausm Weltbrand sag ich!
Die Sache für die wir ausgezogen
wurden, ist eine gerechte, da gibts
keine Würschteln, und darum sage
ich auch, Serbien – muss sterbien!

Die Textcollage von Karl Kraus verwendet das Zitat ohne es als solches kenntlich zu machen. Es fehlen die "Fugen" des eingefügten Textes durch Absetzungen im Schriftbild ebenso wie die Quellenangaben. Der Collage gebricht es an einem eigenständigen Text, welcher das Zitierte in sich als seine Umgebung aufnimmt und selbst ohne Zitat auskommt, zumal sich in der Textcollage die Eigenständigkeit der Zitate zugunsten des größeren Ganzen aufhebt; die wiedergegebenen Textteile geben gleichsam ihre Eigenständigkeit auf, um den in sich brüchigen aber dennoch einheitlichen Textfluss des Ganzen zu ermöglichen. In dem Zitat rechts hingegen bewahren sowohl die Textumgebung ebenso wie das Zitierte jeweils seine Eigenständigkeit; der Bruch in den markierten Fugen ist deutlich; das Eingefügte baut den Text zwar mit auf, könnte prinzipiell aber auch fehlen.


Analoge Termini

  • Rhetorik

    LAUSBERG Bd. 1 S. 537 f. : "Ausspruch-Chria"

    LEMMERMANN S. 122 f. : "Zitat"

  • Poetik (Stilistik)

    THALMAYR S. 36 ff. : "Zitat" (Textbeispiel)

  • Literaturwissenschaft

    LINK S. 299: "Inquit-Formel"

2. Das Wort "yinyong"

Der Sinn von yin ist "(mit oder ohne Pfeil) den Bogen spannen". Vom Bogenspannen leiten sich die Bedeutungen "(auf-, ab-, vor-, rückwärts) ziehen" (牽引 qianyin) sowie "zitieren" (引書 yin shu "Buch zitieren") ab.3 yong bedeutet "verwenden". Kraft des Yinyong wird ein Text gleichsam "herangezogen" und "verwendet".

3. Begriffsbestimmung

Das Yinyong, das Zitieren, besteht in der Bildung einer Teilgemeinschaft von zwei Texten in der Weise, dass eine Wörterreihe eines Textes A in die Wörterreihe eines Textes B entweder wortwörtlich oder sinngemäß aufgenommen wird. Da der Text A in seiner Entstehung nicht vom Text B anhängig ist, der Text B hingegen sehr wohl von A, so muss der Text A dem Text B zeitlich und sachlich vorangehen. Der fundierende Text stellt die Zitatquelle dar, der fundierte enthält das Zitat. Das Zitat muss sich im Text vom übrigen Textzusammenhang entweder grafisch absetzen oder wörtlich als solches bezeichnet werden, ansonsten es nicht als Zitat erkennbar ist.

4. Beispiele

In den folgenden zwei Textauszügen wird das Zitat jeweils unter Nennung des Autors eingeführt. Ob die zitierten Aussprüche in beiden Fällen die treffensten aller Formulierungen, welche den Sprechern spontan einfallen, bilden, oder ob sie eher als Autoritätsargument zu dienen destiniert sind, derlei Fragen nach Motiv des Zitierens und Wirkung des Zitierten zu beantworten, muss an dieser Stelle der Kürze halber unversucht bleiben.

Klassisches Chinesisch

孔子曰: "求! 周任有言 曰: '陳力就列, 不能者 .' 危而不持, 顛而不扶, 則 將焉用彼相矣?"

Kongzi yue: "Qiu! Zhou ren you yan yue: 'Chen li jiu lie, bu neng zhe zhi.' Wei er bu chi, dian er bu fu, ze jiang yan yong bi xiang yi?"

Kongzi sagte: "Qiu! Zhou Ren hat unter anderem gesagt: 'Wenn er [der Edle] seine Kräfte [Fähigkeiten] zeigen kann, nimmt er in den [Amts-] Rängen seinen Platz ein, sollte er unfähig sein, macht er davor halt.' Wenn er einen, der wankt, nicht stützt, einen, der stürzt, nicht aufhilft, wie kann man einen solchen als Hilfe verwenden?"

(Konfuzius "Gespräche")4

Modernes Chinesisch

形容 "經濟" 兩個字, 最 好 借用宋玉的話: "增之一分則太長, 減之一分則太短; 傅粉則太白, 施朱則太赤".

Xingrong "jing ji" liang ge zi, zui hao jieyong Song Yu de hua: "Zeng zhi yi fen ze tai chang, jian zhi yi fen, ze tai duan; chuan fen ze tai bai, shi zhu ze tai chi".

Wenn man die beiden Schriftzeichen des Worts "ökonomisch" charakterisieren will, zitiert man am besten Song Yu: "Fügt man ihm einen Teil hinzu, ist es zu lang, nimmt man ihm einen weg, zu kurz; bestäubt man es, ist es zu weiß, fügt man Zinnober hinzu, zu rot".

(Hu Shi "Über Erzählungen")5

5. Die Teilselbigkeit des Sinns im Zitat

"Was sich wiederholt, ist mit sich selbst identisch, steht aber bei der Wiederholung an anderer Stelle des Seinszusammenhanges, so dass die Wiederholung, die Wiederkehr des Gleichen im Ungleichen, [...] nur Teilselbigkeit, nicht etwa Identität erzeugt."6

Da das Zitieren eine Form der Wiederholung ist, gilt das eben Ausgesagte nicht nur für die Wiederholung im Allgemeinen, sondern ebenso für das Zitat im Besonderen. Durch die Wiederholung werden die Wortkörper des Quellentextes aus dem Zusammenhang gelöst und dem des Filialtextes eingefügt. Im Filialtext ist der alte Zusammenhang, welcher das Verständnis zu der zitierten Textstelle hin- und weggeführt hat, verschwunden. Das Verständnis des Filialtextes kommt einen anderen Weg und geht den anderen Weg weiter. Das bedeutet, dass sich der Sinn des Zitierten nicht identisch wiederholt, zumal er sich zwar wiederholt, aber mit dem Sinnzusammenhang des andersartigen Textzusammenhangs zu einer neuen Einheit verschmilzt. Ein wesentliches Merkmal des Zitats ist daher die Teilselbigkeit des Sinns trotz äußerer Gleichheit der Wortkörper.

6. Einteilung und Arten

Das Zitieren kann mit oder ohne Quellenangabe entweder wörtlich oder sinngemäß erfolgen. Durch die Kombination dieser Möglichkeiten ergeben sich die Unterarten des Yinyong. Das "wörtliche Zitieren" scheint Wortkörper und Sinn zu wiederholen, das "sinngemäße Zitieren" hingegen nur den Sinn, (zum Teil) ohne die originalen Wörter.7


Klassifikation - Überblick

  • "Helles Zitieren" (mit Quellenangabe: wörtlich/sinngemäß)

  • "Dunkles Zitieren" (ohne Quellenangabe: wörtlich/sinngemäß)

(1) 明引 mingyin "helles Zitieren"

Unter dem "hellen Zitieren" wird das Zitieren mit Autor- und Titel-Angabe des Textes verstanden, aus welchem zitiert wird. Als Quellenangabe gilt auch die Nennung der Person, von welcher ein Diktum stammt. Bei unbekannten Autoren wird nur der Werktitel angeführt.

(a) 全引 quanyin "Ganz-Heranziehen"

Das wortwörtliche Zitat mit Quellenangabe wird "Ganz-Heranziehen" genannt. Zwei Beispiele sind bereits unter Punkt 4 ("Beispiele") angeführt worden.

(b) 略引 lüeyin "Wenig-Heranziehen"

Das sinngemäße Zitieren, meist in indirekter Rede, mit Angabe der Quelle wird "Wenig-Heranziehen" genannt. Häufig werden die Schlüsselwörter der Vorlage übernommen, wie das folgende Beispiel zeigt.

Beispiel

Zitatvorlage

Zitat

文學就形式與內容兩 方面來說 "創造的 僵化" 逐漸使我們 變成了 "形式的 加工者". 而中國舊 文學是把形式和內容 分開的, 因而形式的僵化 特別厲害. 詩人應忠實於 自己的生活, "個人" 的 "社會" "世界" 之中. 作為 一個詩人, 在流動的 生命中, 體驗現實的 生活處境, 才不至被 僵化的形式局限了詩人 的創作力.

Wenxue jiu xingshi yu neirong liang fangmian lai shuo, "chuangzao de jianghua" zhujian shi women bianchengle "xingshi de jiagongzhe". Er Zhongguo jiu wenxue shi ba xingshi he neirong fenkai de, yiner xingshi de jianghua tebie lihai. Shiren ying zhongshi yu ziji de shenghuo, "geren" de "shehui" "shijie" zhi zhong. Zuowei yi ge shiren, zai liudong de shengming zhong, tiyan xianshi de shenghuo chujing, cai bu zhi bei jianghua de xingshi juxianle shiren de chuangzaoli.

Was die beiden Aspekte der Literatur, Form und Inhalt, anbetrifft, so machen uns die "kreativen Erstarrungen" allmählich zu "Weiterverarbeitern der Form". Die alte Literatur Chinas trennte zudem Form und Inhalt, weshalb die formale Erstarrung besonders arg ist. Der Dichter muss seinem Leben, seiner "persönlichen" Gesellschaft und Welt gegenüber treu und wahrhaftig sein. Erst wenn er im Fluss des Lebens steht, erst wenn er das reale Leben am eigenen Leib erfährt, wird seine Kreativität nicht mehr durch erstarrte Formen begrenzt.

(Shang Qin)

商禽先生強調詩 的形式要流動, 因 生命是流動的, 時間, 空間是流動的, 僵化 形式不能表現流動
的生命.

Shang Qin xiansheng qiangdiao shi de xingshi yao liudong, yin shengming shi liudong de, shijian, kongjian shi liudong de, jianghua xingshi bu neng biaoxian liudong de shengming.

Herr Shang Qin betont, dass die Form des Gedichts fließen muss, denn das Leben würde fließen, die Zeit, der Raum würden fließen, eine erstarrte Form könnte den Fluss des Lebens nicht ausdrücken.

(YanYuanshu "Vortragsmitschrift")8
(2) 暗用 anyong "dunkles Zitieren"

Unter dem "dunklen Zitieren" wird das Zitieren ohne Autor- und Titel-Angabe des Textes verstanden, aus welchem zitiert wird. Wie beim "hellen Zitieren" kann wortwörtlich oder paraphrasierend zitiert werden.

(a) 全用 quanyong "Ganz-Verwenden"

Das wortwörtliche Zitat ohne Quellenangabe wird "Ganz-Verwenden" genannt. Die Angabe der Quellen kann insbesondere dann wegfallen, wenn sie bereits bekannt ist. Im folgenden Beispiel ist es ein Ausspruch von Konfuzius, welcher als bekannt vorausgesetzt wird.

Beispiel

Zitatvorlage

Zitat

子入太廟, 每事問.

Zi ru tai miao, mei shi wen.

Der Meister, als er in den großen Tempel kam, fragte bei allem.

(Konfuzius "Gespräche")9

"子入太廟, 每事問", 至今 傳為美談. 但你入 輪船, 最好每事不必問.

"Zi ru tai miao, mei shi wen", zhi jin chuanwei meitan. Dan ni ru lunchuan, zui hao mei shi bu bi wen.

Der Satz "Der Meister, als er in den großen Tempel kam, fragte bei allem", gilt bis heute als Bonmot. Aber wenn du auf den Dampfer steigst, fragst du besser nicht bei allem.

(Zhu Ziqing "Meerfahrt")10
(b) 略用 lüeyong "Wenig-Verwenden"

Das sinngemäße Zitieren ohne Angabe der Quelle wird "Wenig-Verwenden" genannt. Der folgende Textauszug im modernen Chinesisch bezieht sich auf die Gespräche des Konfuzius. Der Lehrer wird im Sinn der konfuzianischen Einteilung der Menschen in zwei Gruppen betrachtet. Zu diesem Zweck werden lediglich zwei Schlüsselwörter des Originals angeführt.

Beispiel

Zitatvorlage

Zitat

子曰: "不得中行而與之, 必也狂狷乎. 狂者進 取, 狷者有所不為."

Zi yue: "Bu de zhong xing er yu zhi, bi ye kuang juan hu. Kuang zhe jin qu, juan zhe you suo bu wei."

Der Meister sprach: "Wenn ich keine (Leute) finde, die in der Mitte gehen, um mit ihnen zu sein, so will ich wenigstens (Leute) von Enthusiasmus und Entschiedenheit. Die Enthusiasten schreiten fort und nehmen auf, die Entschiedenen haben etwas, was sie nicht tun."

(Konfuzius "Gespräche")11

" '狂狷' 二字是你老師的好處, 可是他一輩子吃虧, 也就在這 個上?. 孟養 -- 他的性子是 太剛了些." 樸公點著?嘆了 一口氣.

"'Kuang juan' er zi shi ni laoshi de haochu, keshi ta yi beizi chi kui, ye jiu zai zhe ge shangtou. Meng Yang ?ta de xingzi shi tai gangle xie." Pu Gong dianzhe tou tanle yi kou qi.

"Die zwei Schriftzeichen für 'Enthusiasmus' und 'Entschiedenheit' beschreiben die Vorzüge deines Lehrers, dass er aber sein Leben lang Nachteile einstecken muss, rührt auch daher. Meng Yang – sein Wesen ist ein wenig zu hart." Pu Gong nickte und seufzte auf.

(Bai Xianyong "Lektüre")12

B. Die Gebrauchsregeln

  • Die Fehler des zitierten Textes sollen als solche gekennzeichnet werden (Forderung nach Kennzeichnung der Fehler). (黃慶萱 Huang Qingxuan: 修辭學 Xiucixue "Lehre vom Zurechtlegen der Worte", Taibei, Sanmin shuju 1988, S. 114)

  • Das Zitat darf den ursprünglichen Wortlaut und Sinn des Textes nicht verfälschen (Forderung nach Texttreue). (黃慶萱 Huang Qingxuan: 修辭學 Xiucixue "Lehre vom Zurechtlegen der Worte", Taibei, Sanmin shuju 1988, S. 114/115) Die Redewendung 朝三幕四 zhaosan-musi "drei am Morgen – vier am Abend" beispielsweise wird im Sinn von "wechselhaft" und "launisch" verwendet. Die vier Schriftzeichen entstammen einem Text von Zhuangzi, welcher anschließend auszugsweise angeführt wird. Der Philosoph verhöhnt darin das Unterscheiden da, wo es nichts zu unterscheiden gibt. Der Originalsinn wird folglich durch die Redewendung umgemünzt und der Regel dadurch widersprochen.

    Zitatvorlage

    狙公賦茅, 曰: "朝三 ." 眾狙皆恕. 曰: "然則 朝四而幕三." 重狙皆悅. 名實未虧而喜恕為用, 亦因是也. 是以圣人和之 以是非, 而休乎天鈞.

    Ju gong fu xu, yue: "Zhao san er mu si." Zhong zu jie shu. Yue: "Ran ze zhao si er mu san." Zhong zu jie yue. Ming shi wei kui er xi shu wei yong, yi yin shi ye. Shi yi sheng ren he zhi yi shi fei, er xiu hu tian jun.

    Der Affenbändiger verteilte Eicheln und sagte: "Ihr bekommt drei am Morgen und vier am Abend." Das machte die Affen rasend vor Wut. "Gut", sagte er, "dann bekommt ihr vier am Morgen und drei am Abend." Die Affen freuten sich alle. Es gab keine Veränderung der Realität hinter den Worten und doch reagierten die Affen mit Freude und Ärger, lass sie, wenn sie wollen. So harmoniert der Weise mit beidem, Richtig und Falsch, und ruht im Himmel der Ausgleicher.

    (Zhuangzi "Gleichmachen")13
  • Es sollen keine gemeinhin unbekannten Texte angeführt werden, da das Zitat auf diese Weise schwer verständlich wird (Forderung nach prinzipieller Verfügbarkeit der Zitatvorlage). (黃慶萱 Huang Qingxuan: 修辭學 Xiucixue "Lehre vom Zurechtlegen der Worte", Taibei, Sanmin shuju 1988, S. 115) Diese Forderung gilt insbesondere für Zitate ohne Quellenangabe.14

  • Das Zitat soll das Verständnis möglichst erleichtern, und nicht unnötig erschweren (Forderung nach Verständlichkeit des Zitierten). (黃慶萱 Huang Qingxuan: 修辭學 Xiucixue "Lehre vom Zurechtlegen der Worte", Taibei, Sanmin shuju 1988, S. 116)

  • Das Zitat soll die Einheit des Textes, in welchen es eingefügt wird, nicht zerstören (Forderung nach Textkohärenz). (黃慶萱 Huang Qingxuan: 修辭學 Xiucixue "Lehre vom Zurechtlegen der Worte", Taibei, Sanmin shuju 1988, S. 116)

  • Die zitierten Autoritäten sollen glaubwürdig sein. Ein Autor ist nur dann glaubwürdig, wenn er Aussagen über sein eigenes Fachgebiet trifft, da er in der Regel nur in der Kollegenschaft ein Korrektiv findet (Forderung nach Glaubwürdigkeit der zitierten Autorität). (黃慶萱 Huang Qingxuan: 修辭學 Xiucixue "Lehre vom Zurechtlegen der Worte", Taibei, Sanmin shuju 1988, S. 117) Die Fachautorität ist nicht Autorität übers Fach hinaus. Fachautoritäten mögen daher einzig als Fachautoritäten zitiert werden.

  • Das Zitat soll das Wesentliche ökonomisch zusammenfassen (Forderung nach Raffung durch das Zitat). (黃慶萱 Huang Qingxuan: 修辭學 Xiucixue "Lehre vom Zurechtlegen der Worte", Taibei, Sanmin shuju 1988, S. 117) Der Autor des folgenden Textauszugs nimmt in vorbildlicher Weise auf den Bericht über bedeutende Gemälde der Vergangenheit von Zhang Yanyuan (ca. 815-875) Bezug15 , indem er vier Wörter der Textvorlage, welche zugleich als Grundlage der Redewendung 畫龍點睛 hua long dian jing "auf das Bild eines Drachens die Pupillen auftupfen" ("das Wesentliche prägnant fassen") dienen, anführt.

    Regelrechtes Beispiel

    工夫雖從點睛見出, 却從畫龍做起.

    Gongfu sui cong dian jing jianchu, que cong hua long zuoqi.

    Obwohl man die Geschicklichkeit erst an den getupften Augen [des Drachens] erkennt, beginnt sie doch schon beim Malen des Drachen[körpers].

    (Zhu Guangqian "Über das Schöne")16
  • Das Zitat soll, wenn es die Situation verlangt, dem Takt dienen. Die Kultiviertheit vermöge des Zitierens vermag dem Ausdruck das Verletzende zu nehmen (Forderung nach stilvollem Umgang durch das Zitat). (黃慶萱 Huang Qingxuan: 修辭學 Xiucixue "Lehre vom Zurechtlegen der Worte", Taibei, Sanmin shuju 1988, S. 118)

  • Das Zitat soll auch der Unterhaltung dienen (Forderung nach Unterhaltung durch das Zitat). (黃慶萱 Huang Qingxuan: 修辭學 Xiucixue "Lehre vom Zurechtlegen der Worte", Taibei, Sanmin shuju 1988, S. 118) Frage und Antwort im folgenden Textauszug sind Zitate aus dem Buch der Lieder. 胡為乎泥中? hu wei hu ni zhong? "... warum sollten wir dann hier im Schlamm sein?" entstammt dem Gedicht Heruntergekommen17 . 薄言往愬,逢彼之怒 bo yan wang su, feng bi zhi nu "Wenn ich zu ihnen gehe und mich beschwere, begegne ich ihrem Zorn" ist eine Textstelle in dem Gedicht Zypressenboot18 .

    Regelrechtes Beispiel

    鄭玄家奴婢皆讀書. 嘗使一婢, 不稱旨, 將 撻之, ?階猿濾? 玄怒, 使人?著泥中. 須臾, 復有 一婢來, 問曰: " '胡為乎泥 中?' " 答曰: " '薄言往 , 逢彼之怒 .' "

    Zheng Xuan jia nu bi jie du shu. Chang shi yi bi, bu cheng zhi, jiang ta zhi, fang zi chen shuo; Xuan nu, shi ren yezhe ni zhong. Xu yu, fu you yi bi lai, wen yue: "'Hu wei hu ni zhong?'" Da yue: "'Bo yan wang
    su, feng bi zhi nu.'
    "

    In Zheng Xuans Haushalt waren sogar die männlichen und weiblichen Sklaven gebildet. Einmal, als [Xuan] von einer Sklavin bedient wurde, die seine Wünsche nicht zufriedenstellte, war er drauf und dran, sie zu schlagen, als sie sich [eloquent] herauszureden begann; zornig ließ sie Xuan daraufhin in den Schlamm ziehen. Kurz danach kam eine andere Sklavin und fragte [mit Worten aus dem Shijing]: "'Warum bist du im Schlamm?'" Sie antwortete [ebenfalls mit Worten aus dem Shijing]: "'Ich ging zu ihm, und beschwerte mich und begegnete seinem Zorn.'"

    ("Neuer Bericht")19


1 Kraus 71 f.

2 Binneberg 72.

3 Vgl. WANG FENGYANG 540/678.

4 論語 Lun yu "Gespräche", 季氏 Ji shi, Buch XVI. Zit. n. 黃慶萱 Huang Qingxuan: 修辭學 Xiucixue "Lehre vom Zurechtlegen der Worte", Taibei, Sanmin shuju 1988, S. 100. Vgl. KONGZI 1985a 307, KONGZI 1979 164.

5 胡適 Hu Shi: 論短篇小說 Lun duanpian xiaoshuo "Über die Erzählungen in kurzen Kapiteln". Zit. n. 黃慶萱 Huang Qingxuan: 修辭學 Xiucixue "Lehre vom Zurechtlegen der Worte", Taibei, Sanmin shuju 1988, S. 102.

6 SCHMIDT 44.

7 S. 黃慶萱 Huang Qingxuan: 修辭學 Xiucixue "Lehre vom Zurechtlegen der Worte", Taibei, Sanmin shuju 1988, S. 102 ff., vgl. 陳望道 Chen Wangdao: 修辭學發凡 Xiucixue fafan "Grundriss der Lehre vom Zurechtlegen der Worte", Shanghai, Jiaoyu chubanshe 1979, S. 103 ff.

8 Zitatvorlage und Zitat finden sich in: 顏元叔 YanYuanshu: 中國的詩和小說座談 發言紀錄 Zhongguo de shi he xiaoshuo zuotan fayan luji "Vortragsmitschrift anläßlich der Diskussion über chinesische Gedichte und Erzählungen". Zit. n. 黃慶萱 Huang Qingxuan: 修辭學 Xiucixue "Lehre vom Zurechtlegen der Worte", Taibei, Sanmin shuju 1988, S. 106.

9 論語 Lun yu "Gespräche", 八佾 Ba yi, Buch III. Zit. n. 黃慶萱 Huang Qingxuan: 修辭學 Xiucixue "Lehre vom Zurechtlegen der Worte", Taibei, Sanmin shuju 1988, S. 107. Vgl. KONGZI 1985a 160, KONGZI 1979 54.

10 朱自清 Zhu Ziqing: 海行雜記 Haixing zaji "Verschiedene Aufzeichnungen der Meerfahrt". Zit. n. 黃慶萱 Huang Qingxuan: 修辭學 Xiucixue "Lehre vom Zurechtlegen der Worte", Taibei, Sanmin shuju 1988, S. 107.

11 論語 Lun yu "Gespräche", 子路 Zilu, Buch XIII. Zit. n. 黃慶萱 Huang Qingxuan: 修辭學 Xiucixue "Lehre vom Zurechtlegen der Worte", Taibei, Sanmin shuju 1988, S. 110.

12 白先勇 Bai Xianyong: 梁父唸 Liang fu nian "Lektüre des Vaters Liang". Zit. n. 黃慶萱 Huang Qingxuan: 修辭學 Xiucixue "Lehre vom Zurechtlegen der Worte", Taibei, Sanmin shuju 1988, S. 110. Vgl. KONGZI 1979 136, KONGZI 1985a 272.

13 莊子 Zhuangzi: 齊物論 Qi wu lun "Über das Gleichmachen der Dinge". Zit. n. 黃慶萱 Huang Qingxuan: 修辭學 Xiucixue "Lehre vom Zurechtlegen der Worte", Taibei, Sanmin shuju 1988, S. 114. Vgl. ZHUANGZI 1968 41.

14 Für die Chinesen früherer Zeit, welche die Texte aus dem Gedächtnis zitierten, und so die Gewohnheit sportifizierten, die Quellenangaben auszulassen, bedeutete ein unbekannter Text eine Gefahr. Der Gentry drohte im unbekannten Text das Bildungs- als Voraussetzung des Bodenmonopols zu entgleiten, war doch die Fähigkeit, die Klassiker ex tempore zu zitieren, die Voraussetzung, um in den Beamtenprüfungen und vor dem Kaiser zu bestehen. Wer am Hof mit konfuzianischen Worten zustechen und parieren konnte, ging sehr wahrscheinlich als Sieger hervor, sofern die übergeordnete Autorität sich auf den Disput einließ. Da alles Zitierte die Tendenz zum Autoritativen in sich nährt, konnte ein unbekannter Text den Gegner völlig unvorbereitet treffen. Vielleicht bildet dieser Umstand, welcher hier nur spekulativ angedeutet werden kann, den geschichtlichen Hintergrund dieser Forderung.

15 張彥遠 Zhang Yanyuan: 歷代明畫記 Lidai minghua ji. Vgl. SCHMIDT-GLINTZER 330.

16 朱光潛 Zhu Guangqian: 談美 Tan mei "Über das Schöne". Zit. n. 黃慶萱 Huang Qingxuan: 修辭學 Xiucixue "Lehre vom Zurechtlegen der Worte", Taibei, Sanmin shuju 1988, S. 118.

17 詩經 Shi jing "Buch der Lieder", 國風 Guo feng, 北風 Bei feng, 式微 Shi wei. Vgl. SHIJING 1985 59.

18 詩經 Shi jing "Buch der Lieder", 國風 Guo feng, 北風 Bei feng, 柏舟 Bai zhou. Vgl. SHIJING 1985 38.

19 世說新語 Shi shuo xin yu "Neuer Bericht von Reden aus der Welt", 文學 Wen xue "Briefe und Gelehrsamkeit". Zit. n. 黃慶萱 Huang Qingxuan: 修辭學 Xiucixue "Lehre vom Zurechtlegen der Worte", Taibei, Sanmin shuju 1988, S. 118. Vgl. LIU YIQING 94.