24. Paibi 排比 "Reihung gleicher Glieder"
Legt man, um einen Sachverhalt zu beschreiben, die Worte von drei oder mehr Sätzen stets ungefähr in der gleichen Wortartenabfolge zurecht, so spricht die "Lehre vom Zurechtlegen der Worte" von einem "Paibi".
Beispiele
Klassisches Chinesisch
富貴不能淫, 貧賤不能移, 威武不能屈: 此之謂大丈夫.
Fu gui bu neng yin, pin jian bu neng yi, wei wu bu neng qu: ci zhi wei da zhang fu.
Nicht Reichtum oder Ehre kann ihn locken, nicht Armut oder Schande kann ihn bewegen, nicht Macht noch Drohung kann ihn beugen:
das ist ein großer Mann.
Modernes Chinesisch
機巧的人輕視學問,
淺薄的人驚服學問,
聰明的人卻能利用學問.
Jiqiao de ren qingshi xuewen, qianbo de ren jingfu xuewen, congming de ren que neng liyong xuewen.
Geschickte Menschen verachten die Bildung, oberflächliche Menschen scheuen vor der Bildung, gescheite Leute hingegen können die Bildung nützen.
Quelle: Pei Gen "Lesen",
siehe Xiucixue
S. 305
Erinnert an ...
- "Isocolon"
- "Parallelismus"
Ausführliche Erklärung
Der folgende Text ist gleich dem im Buch Xiucixue S. 303 ff.
A. Das Wortzurechtlegemuster
1. Hinführung
Die drei ersten Strophen des folgenden Gedichts
von Heinrich Heine
(ohne Titel) aus dem Buch der Lieder
drücken denselben Sachverhalt mit verschiedenen Worten –
in verschiedenen Seitenansichten – aus: wüssten die
Naturwesen um den Schmerz des lyrischen Ich, sie würden sein
Liebesleid mildern.
Die drei ersten Sätze bilden zugleich die drei ersten
Strophen. Sie variieren alle drei das gleiche Satzmuster: Und
wüsstens die X, sie würden / ließen / kämen ...
Dieser "Parallelismus" im Satzbau ermöglicht es, ein
einmal gefundenes metrisches Schema über längere Strecken
hin einfach durch Variation eines Satzes durchzuhalten, so dass sich
der Dichter wenigstens zum Teil der Mühe und Langeweile des
Skandierens enthebt. Ob dies eine Motivation bei Heine war, sei
dahingestellt. In jedem Fall entstehen auf diese Weise drei
proportionale Glieder. Diese Proportionalität des Satzbaus in
mindestens drei Sätzen plus der Themengleichheit (Isotopie) sind
die beiden Hauptkennzeichen des Paibi.
Und wüsstens die Blumen, die kleinen,
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Wie tief verwundet mein Herz,
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Sie würden mit mir weinen,
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Zu heilen meinen Schmerz.
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Und wüsstens die Nachtigallen,
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Wie ich so traurig und krank,
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Sie ließen fröhlich erschallen
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Erquickenden Gesang.
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Und wüssten sie mein Wehe,
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Die goldnen Sternelein,
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Sie kämen aus ihrer Höhe,
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Und sprächen Trost mir ein.
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Die alle könnens nicht wissen,
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Nur Eine kennt meinen Schmerz:
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Sie hat ja selbst zerrissen,
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zerrissen mir das Herz.
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Analoge Termini
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LAUSBERG Bd. 1 S. 359
ff. : "Isocolon"
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LINK S. 115 f. : "Parallelismus"
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2. Das Wort "paibi"
Der Sinn von 排
pai
ist "in Reihen ordnen" (排座位
pai zuowei
"die Sitze in Reihen ordnen"). Der rechte Teil des
Schriftzeichens, 非, stellt zwei
symmetrisch gespiegelte Reihen zu je drei Gliedern dar. Eine Reihe
kann so viele Glieder haben, wie sich Gegenstände finden, welche
sich in einem begrenzten Raum unterbringen lassen. 比
bedeutet "(zwei Menschen u.a.) dicht nebeneinander"
(比翼鳥
bi yi niao
"zwei dicht nebeneinander fliegende Vögel"). Die
Körper, welche nebeneinander positionieren, sind nicht völlig
verschieden, sondern gleich (匕+匕).
Die Bedeutung von Paibi kann daher mit "Bildung einer geordneten
Reihe mit mehreren gleichen Gliedern, welche unmittelbar
nebeneinander positionieren" umschrieben werden, kurz "Reihung
gleicher Glieder" (匕+匕+匕+匕+匕...).
3. Begriffsbestimmung
Das Paibi ist wie das Duiou Ergebnis einer
substitutiven Ordnungsänderung. Bei bleibender Beziehungsart
werden ein oder mehrere oder alle sprachlichen Elemente nicht nur
einmal, sondern mehrere Male durch andere ersetzt, so dass in
mindestens drei Sätzen (zweimalige Substitution) die
Wortklassenabfolge gleich ist. Wie der Betrachter bei der
Untersuchung eines sinnlichen Gegenstands das Objekt dreht, um nach
und nach neue Seiten ins Blickfeld zu bekommen, so wird vermittels
des Paibi ein und derselbe sprachliche Gegenstand in mehreren
aufeinanderfolgenden gleichartigen Sätzen in den verschiedenen
Ansichten sichtbar gemacht. Häufiges Kennzeichen in semantischer
Hinsicht ist daher die Isotopie. Logisch ausgedrückt handelt es
sich um intensional verschiedene, extensional aber gleiche Sätze,
das heißt, die Sätze sind ihrer Bedeutung nach
verschieden, betreffen dem Umfang nach aber den gleichen Gegenstand.
4. Beispiele
In dem folgenden ersten Beispiel im klassischen Chinesisch sind es
drei gleichgebaute Sätze, welche in der Art einer Aufzählung
aneinandergereiht werden. In dem darauffolgenden zweiten Beispiel im
modernen Chinesisch sind es ebenfalls drei Sätze, welche sich
zum Höhepunkt und Abschluss steigern. Im Unterschied zum ersten
bildet jedoch nicht der darauffolgende Satz, sondern das dritte
Reihenglied (das letzte Glied, das im Unterschied zu den
vorausgehenden in der Länge variiert) den Gipfelpunkt der
Steigerung.
Klassisches Chinesisch
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富貴不能淫,
貧賤不
能移,
威武不能屈:
此之
謂大丈夫.
Fu gui bu neng yin, pin
jian bu neng yi, wei wu bu neng qu: ci zhi
wei da zhang fu.
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Nicht Reichtum oder Ehre kann ihn locken, nicht Armut oder
Schande kann ihn bewegen, nicht Macht noch Drohung kann ihn
beugen:
das ist ein großer Mann.
(Menzius)
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Modernes Chinesisch
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機巧的人輕視學問,
淺薄的人驚服學問,
聰明的人卻能利用
學問.
Jiqiao de ren qingshi
xuewen, qianbo de ren jingfu xuewen, congming de ren que neng
liyong xuewen.
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Geschickte Menschen verachten die Bildung, oberflächliche
Menschen scheuen vor der Bildung, gescheite Leute hingegen können
die Bildung nützen.
(Pei Gen "Lesen")
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5. Keine Einteilung
B. Die Gebrauchsregeln
Das
Aneinanderreihen gleichgebauter und gleichthematischer Sätze
soll in allen Textgenren Verwendung finden (Forderung nach Gebrauch
des Paibi in allen Textgenren).
(黃慶萱 Huang Qingxuan: 修辭學 Xiucixue "Lehre vom Zurechtlegen der Worte", Taibei, Sanmin shuju 1988, S. 476)
Die Sätze des Paibi stellen
auf verschiedene Weise ein und denselben Sachverhalt dar. Diese
Eigentümlichkeit des Paibi gilt es zu erkennen, festzuhalten
und in jedem Fall des Gebrauchs zu berücksichtigen (Forderung
nach Einheit in der Mannigfaltigkeit). (黃慶萱 Huang Qingxuan: 修辭學 Xiucixue "Lehre vom Zurechtlegen der Worte", Taibei, Sanmin shuju 1988, S. 479) Im folgenden
Textauszug werden die verschiedenen Ansichten der Landschaft in
ihrem Wechsel vermittels des Paibi in mustergültiger Art
geschildert.
Regelrechtes Beispiel
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濃綠的柳枝後面,
襯景
是變換的;
有時是
澄藍,
那是晴空;
有時
是乳白,
那是云朵;
有時
是金黃的長針,
那是
陽光;
有時是銀白的
細絲,
那是月色.
柳枝與柳葉,
似乎在時間上沒有
多少的變換,
在空間
上沒有多少位移.
Nonglü de liuzhi houmian,
chenjing shi bianhuan de; you shi shi
chenglan, na shi qingkong; you shi shi rubai, na shi
yunduo; you shi shi jinhuang de changzhen, na shi
yangguang; you shi shi yinbai de xisi, na shi
yuese. Liuzhi yu liuye, sihu zai shijian shang
mei you duoshao de bianhuan, zai kongjian
shang mei you duoshao weiyi .
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Hinter den tiefgrünen Ästen der Trauerweide wechselt
die kontrastierende Landschaft; manchmal ist sie klarblau,
das ist der heitere und wolkenlose [Himmel]; manchmal ist
sie milchweiß, das sind die Wolkenblüten; manchmal
ist sie eine goldgelbe Langnadel, das ist das Sonnenlicht;
manchmal ist sie ein silbrigweißer Feinfaden, das ist der
Mondschein. Die Trauerweiden-Äste und die
Trauerweiden-Blätter scheinen zeitlich sich nicht sehr zu
wandeln, räumlich sich nicht sehr zu verlagern.
(Chen Zhifan
"Trauerweide")
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Das Paibi eignet sich
insbesondere zur Darstellung von Analyse-Ergebnissen. Vermöge
der Analyse wird ein und derselbe Sachverhalt von verschiedenen
Seiten derart theoretisch beleuchtet, dass die Sätze sich zwar
inhaltlich unterscheiden, sich trotz der inhaltlichen Unterschiede
aber auf denselben Sachverhalt als das ihnen allen Gemeinsame
beziehen. Damit ist die eine Grundvoraussetzung des Paibi erfüllt:
die Isotopie. Die andere, die Gleichförmigkeit der Sätze,
gilt es wie selbstverständlich zu ergänzen (Forderung
nach Gebrauch des Paibi zur Darstellung von Analyse-Ergebnissen).
(黃慶萱 Huang Qingxuan: 修辭學 Xiucixue "Lehre vom Zurechtlegen der Worte", Taibei, Sanmin shuju 1988, S. 479)
Regelrechtes Beispiel
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使老有所終,
狀有
所用,
幼有所長.
矜
寡孤獨廢疾者皆有所養.
Shi lao you suo zhong,
zhuang you suo yong, you you suo zhang. Jin gua du fei ji
zhe jie you suo yang.
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[...] Die Alten konnten so in Ruhe ihrem Ende
entgegensehen, die kräftigen Männer hatten ihre Arbeit,
die Jungen wurden von den Erwachsenen betreut. Die
Zubemitleidenden und Witwen, die Elternlosen und Kinderlosen, die
Versehrten und Kranken, alle hatten ihre Pflege.
("Aufzeichnungen
der Riten")
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